Menü
17.10.24 –
München - Sabine Weigand lud zum Abschluss ihrer Denkmalschutztour 2024 zur Podiumsdiskussion „Mehr als nur Immobilien: Was wird aus unseren Kirchen?“ ins Maximilianeum in München. Mit der Denkmalexpertin diskutierten Dr. Susanne Fischer, 1. Stellvertreterin des Generalkonservators im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, Dipl.-Ing. Univ. Stefan Lautner, Leiter des Baureferats der Ev.-Luth. Landeskirche in Bayern, Dipl.-Ing. Architekt Sven Meinhof von Meinhof Architektur aus Hannover, Prof. Dr. Barbara Welzel vom Lehrstuhl für Kunstgeschichte und Kulturelle Bildung an der TU Dortmund und Mitinitiatorin des Kirchenmanifests sowie Dr. Rainer Fisch, Architekt und Denkmalpfleger aus Berlin. Von der Katholischen Kirche konnten trotz mehrfachen Nachfragens niemand für das Podium gewonnen werden.
Im Mittelpunkt der gut besuchten Veranstaltung stand die Frage, wie mit Kirchengebäuden umgegangen werden soll, die aufgrund sinkender Mitgliederzahlen und zunehmender Säkularisierung nicht mehr primär für religiöse Zwecke genutzt werden. Von den bundesweit 45 000 Kirchengebäuden, die die Bundesstiftung Baukultur zählt, werden immer mehr nicht mehr in ihrer ursprünglichen Funktion benötigt. Rund 80 Prozent stehen unter Denkmalschutz.
Kirchen haben gesellschaftliche Relevanz
Der Funktionsverlust könnte im schlimmsten Fall dazu führen, dass diese kulturell und architektonisch prägenden Gebäude aus unseren Orten und Städten verschwinden. Sabine Weigand betonte jedoch die gesellschaftliche Relevanz von Kirchen als Orte der Gemeinschaft und forderte eine breite öffentliche Diskussion über deren Zukunft. Sie eröffnete die Diskussion mit der Frage: „Wie können wir es schaffen, dass die Menschen Kirchen zu etwas machen, was sie angeht? Denn sie sind ja nicht nur Orte der Religionsausübung, sondern auch kulturelle Ankerpunkte in europäischen Städten und Dörfern.“
Architekt Sven Meinhof stellte zum Einstieg ein aktuelles Projekt vor: Sein Büro hat die Gerhard-Ulhorn-Kirche in Hannover zu einem Studentenwohnheim umgestaltet. Dabei verwendeten die Planenden das „Haus-im-Haus“-Prinzip, um die sakralen Räumlichkeiten schonend zu behandeln und einen Rückbau grundsätzlich zu ermöglichen. Sven Meinhof betonte, dass Kirchenräume architektonisch wertvolle Orte seien, die bei einer Umnutzung sorgsam und mit Blick auf ihre Einzigartigkeit behandelt werden sollten.
Stefan Lautner von der evangelischen Landeskirche stimmte ihm zu und argumentierte, dass es wichtig sei, Kirchen als öffentliche Räume zu bewahren: „Wir wollen sie nicht privatisieren, sondern vielmehr versuchen, Kirchen zu halten, zu transformieren, umzunutzen und vielleicht auch darauf zu warten, was die nächste Generation damit machen will.“
Positives Beispiel in Schweinfurt
Dr. Susanne Fischer plädierte als Denkmalpflegerin für eine kreative und pragmatische Herangehensweise an die Umnutzung von Kirchen. Sie lobte die Kirche St. Anton in Schweinfurt, die erfolgreich in ein Begegnungs- und Sozialzentrum umgewandelt worden sei: „Hierbei ist für das ganze Stadtviertel ein neuer lebendiger Ort entstanden. Das Projekt zeigt, dass es viele Wege gibt, Kirchengebäude in die heutige Gesellschaft zu integrieren.“
Dr. Rainer Fisch, der sich seit über 25 Jahren mit dem Thema Umnutzung von Kirchengebäuden auseinandersetzt, beschrieb die finanziellen und strukturellen Probleme, mit denen die Kirchen zu kämpfen haben. Er kritisierte insbesondere die Strategie, Kirchengebäude abzutreten, um kurzfristig finanzielle Herausforderungen zu lösen. Er sieht große Probleme auf den Ebenen des Bauunterhalts und der Förderungen: „Plakativ gesagt zahlen Stifter gerne Kirchenfenster, Heizkosten hingegen werden in den seltensten Fällen übernommen. Das macht doch den Erhalt der Kirchengebäude so schwierig.“ Alle auf dem Podium bestätigten, dass die Finanzierung und Förderung, auch bei kirchlichen Umnutzungen ein Knackpunkt ist, der differenziert und intensiv behandelt werden muss.
Thema gehört in die Politik
Prof. Dr. Barbara Welzel betonte außerdem die Notwendigkeit, Kirchen als kulturelles Erbe zu erhalten, da sie eine wesentliche Rolle in der europäischen Geschichte und Identität spielen. Sie forderte, dass nicht nur die Kirchen als Institutionen, sondern auch der Staat und die Gesellschaft insgesamt Verantwortung übernehmen. Sie lobte Sabine Weigand als „die Erste aus der Politik, die öffentlich auf das Kirchenmanifest reagiert. Deshalb ist diese Veranstaltung heute einfach großartig, weil es ein Thema ist, das in den politischen Raum und in den öffentlichen Raum gehört.“
Die Diskussion verdeutlichte, dass Erhalt und Umnutzung von Kirchen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die nicht allein von den Kircheninstitutionen gelöst werden kann. Es bedarf kreativer Ansätze, finanzieller Unterstützung und langfristiger Visionen, um diese bedeutenden Orte in die Zukunft zu führen. Der Dialog zwischen Kirche, Politik und Gesellschaft muss fortgeführt werden.
Sabine Weigand betonte zum Abschluss: „Der Abend war aufschlussreich. Er hat gezeigt, wie viel sich in diesem Bereich noch verändern muss. Besonders der stetige und konstruktive Austausch zwischen allen Beteiligten ist das A und O. Genau für diesen Dialog und die Erarbeitung von überzeugenden Ansätzen werde ich mich weiter einsetzen, um unser kirchliches Erbe sinnvoll und zeitgemäß zu erhalten.“
Kategorie
Diese Website ist gemacht mit TYPO3 GRÜNE, einem kostenlosen TYPO3-Template für alle Gliederungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
TYPO3 und sein Logo sind Marken der TYPO3 Association.